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Steckt der Einkauf noch in den 80ern? Das hat sich verändert

Im Zuge der Digitalisierung hat sich im Einkauf einiges verändert. Doch was genau hat sich in den letzten 40 Jahren in diesem Fachbereich wirklich getan – und wo hinken wir immer noch hinterher? Prof. Dr. Karsten Machholz, Professor für Supply Chain Management and Strategic Procurement an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt, hat sich zu diesem Thema mit Dr. Ulrich Piepel, dem ehemaligen Top-Manager von RWE und heutigen Senior Advisor der Boston Consulting Group unterhalten und wichtige Erkenntnisse mit Amazon Business geteilt.

Prof. Dr. Machholz: “Uli, du bist nicht nur ein guter Freund, sondern aufgrund deines Lebenslaufs auch ein anerkannter Experte für dieses Thema. Setzen wir uns daher einmal zusammen in eine Zeitmaschine und reisen zurück. Ich würde gerne deine Erfahrung nutzen, um zu erfahren, inwieweit sich Arbeitsabläufe im Beschaffungswesen in den letzten 30-40 Jahren verändert haben. Was ist neu mit dazugekommen und wie hat sich das auf die Mitarbeiter in den Einkaufsabteilungen ausgewirkt?”

 

Dr. Piepel: “Grundsätzlich hat es eine massive Transformation gegeben. Ich kenne und beschäftige mich mit dem Thema Supply Chain und Einkauf jetzt seit etwas über 35 Jahren – was der von dir genannten Zeitspanne in etwa entspricht. Und wenn wir diese Zeitspanne zurückgehen, sehen wir, dass der Einkäufer in der Regel in vielen Unternehmen nur der „Bestellgehilfe“ war. Im Fachbereich wurde dem Einkauf gesagt: “Ich hätte gern von dieser Firma das und das”, oder “Ich will jene Bestellung dann und dann”. Die Einkäufer haben diese Bestellungen rausgeschickt und waren so unter dem Strich eigentlich nur administrativ tätig. Manchmal hat auch der Fachbereich die Preise bereits verhandelt. Dazu muss man wissen, dass diese Funktion früher nicht besonders hoch qualifiziert war; die Position war einfach nicht bedeutungsvoll. Ich erinnere mich an einen Geschäftsführer, der mich vor vielen Jahren einmal fragte, wie unser Einkaufsleiter heißt. Der Einkaufsleiter, das sei dazu gesagt, war schon seit vielen Jahren im Unternehmen tätig.

Im Laufe der Jahre beziehungsweise Jahrzehnte sind da aber massive Veränderungen gekommen. Allein die Globalisierung: Man bestellt nicht mehr „um die Ecke“. Zudem gibt es heute Compliance-Regeln, die es zu beachten gilt. Dank der Digitalisierung gehen Aufträge nicht mehr mit der Firmenpost raus, sie werden mittlerweile oftmals digital unterzeichnet. Ich persönlich habe seit Jahren nichts mehr händisch unterschrieben. Und dieser Wandel hat in ganz vielen Bereichen des Einkaufs stattgefunden: Alle Ausschreibungen, das automatisierte Erstellen von Rahmenverträgen oder die Preisanfragen bei Lieferanten werden heute oft digital erstellt. Das passierte früher auf Papier oder durch das Verschicken von Disketten. Auch die Thematik elektronischer Auktionen ist sehr relevant: Dadurch haben wir massive Einsparungen generieren können. 

Insofern musste man aufgrund der gestiegenen Anforderungen auch personell deutlich aufrüsten. Und das fängt bei den Mitarbeitern an: Ich habe nahezu ausschließlich Mitarbeiter im Einkauf eingestellt, die eine Hochschulausbildung hatten oder zumindest die Fachhochschule erfolgreich abschlossen haben. Denn: Ich möchte die Besten haben. Und mit diesen fähigen und exzellent ausgebildeten Personen konnte oder kann man diesen Wandel zur Automatisierung und Digitalisierung auch vorantreiben.”

Prof. Dr. Machholz: “Ich kann das nur unterstützen: Einkauf war, wie du bereits gesagt hast, eine “Back Office-Aktivität”. Es hat lange gedauert, bis der Einkauf strategisch wichtig wurde. Steigen wir aber noch mal in unsere Zeitmaschine ein, in unseren DeLorean, und begeben uns in das Jahr 1937, zur eigentlichen Geburtsstunde der Digitalisierung. Dann steigen wir bei Konrad Zuse mit seiner Z1 aus – der ersten automatischen Rechenmaschine. Und dazu eine etwas provokante Frage: Hat sich alles so schnell entwickelt und automatisiert, wie wir uns das damals vorgestellt haben oder hinken wir (im Einkauf) eher hinterher?”

Prof. Dr. Karsten Machholz, Professor für Supply Chain Management and Strategic Procurement an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt

Dr. Piepel: “Ich denke schon, ja, wir hinken immer noch hinterher. Das liegt vor allem daran, dass in Sachen Softwareentwicklung für den digitalen Einkauf nicht so viele Investments getätigt wurden wie in anderen Bereichen, zum Beispiel im Vertrieb. Zudem hat der Einkauf oftmals kein ausreichendes Budget, um die besten Softwarelösungen zu beschaffen und einzusetzen. Es gibt Stellen, die schon deutlich mehr automatisiert und digitalisiert sind. Meiner Meinung nach hat auch das mit der fehlenden Wertschätzung für den Einkauf seitens der Geschäftsführung oder des Vorstands zu tun. Erst in den letzten Jahren ist hier mehr passiert und es wurde in einigen Unternehmen in Digitalisierungslösungen für den Einkauf investiert.

Hinzu kommt: Einkaufsleiter sind meiner Erfahrung nach oftmals nicht die mutigsten. Man muss aber mutig sein, wenn es um das Automatisieren geht. Ich erlebe das oft: Einkaufsleiter überlegen ewig hin und her, ob und welche Digitalisierungssoftware sie einsetzen sollen. Ich sage oft einigen Kollegen: „Mensch Leute, ihr seid eigentlich einkaufsseitig mit einem Pferdefuhrwerk unterwegs und ihr diskutiert monatelang darüber, ob ein BMW oder Ford oder Audi besser ist“. Darüber sollte man einige Tage diskutieren und evaluieren. Aber egal, wofür ihr euch am Ende entscheidet, es ist substanziell besser als das Pferdefuhrwerk.

Natürlich spielt aber auch Budget in vielen Unternehmen eine wichtige Rolle, dabei kosten viele digitale Einkaufslösungen und Systeme vergleichsweise wenig. Zudem ist der Return on Investment oftmals gigantisch. Es gibt also eine Vielzahl von Faktoren, weswegen wir noch nicht da sind, wo wir sein könnten. Es braucht jetzt einfach den Mut, die Schaffenskraft und Tatkraft aller Einkaufsverantwortlichen, um die ganze Mannschaft mitzunehmen und voranzukommen.”

Prof. Dr. Machholz: “Das Stichwort Mannschaft ist ein ganz wichtiger Punkt. Du sagtest, dass es bereits seit längerer Zeit etliche Tools gibt. Da war natürlich bei vielen Mitarbeitern immer die potentielle Angst vorhanden, dass Ihr Arbeitsplatz durch die Automatisierung oder einen Roboter ersetzt wird und man zukünftig arbeitslos sein könnte. Wie bist du mit diesen Ängsten Deiner Mitarbeiter in der Vergangenheit umgegangen?”

 

Dr. Piepel: “Digitalisierung, Automatisierung und Roboter: Da gibt es natürlich oft Ängste bei den Menschen. Wir haben in der Regel ja immer Angst vor Veränderungen. Es sei denn, wir wissen vorher, dass es nach der Veränderung viel schöner wird. Wenn ich also weiß, wo die Reise hingeht, was sich ändert und was der Mehrwert ist, dann ist das bereits die halbe Miete. Ich habe meiner Mannschaft zum Beispiel immer gesagt, dass wir wegen der Automatisierung und Digitalisierung niemanden entlassen werden. Ganz im Gegenteil, denn der Einkauf ist aufgrund seines zu niedrigem Stellenwert eigentlich personell immer unterbesetzt.

Dr. Ulrich Piepel, Senior Advisor der Boston Consulting Group

Zu diesem Thema möchte ich gerne eine kurze Anekdote erzählen: Als wir vor vielen Jahren mit elektronischen Ausschreibungen begonnen haben, hat mir eine Abteilungsleiterin gesagt, dass wir das gerne überall machen können, allerdings nicht in ihrem Bereich, da diese Lösung dort nicht richtig funktionieren würde. Ich habe ihr diese Software jedoch ebenfalls „rezeptpflichtig verschrieben”. Nach einem Jahr bin ich dann zu ihr gefahren und habe mir einen kleinen Spaß erlaubt: Ich sagte ihr, dass wir das mit den Ausschreibungen alles wieder wie früher machen. Da ist sie ganz blass geworden. Sie sagte, dass sie das heute kapazitiv gar nicht mehr abbilden kann, die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen erledigen inzwischen ganz andere und wichtige Aufgaben. Und tatsächlich: viele Einkäufer konnten sich beruflich weiterentwickeln, erledigen nun viel spannendere Aufgaben.

Es dauert einfach seine Zeit, bis Menschen derlei Veränderungen annehmen. Man muss die Mitarbeiter jedoch stets von Anfang an mitnehmen und ihnen erklären, warum die Veränderungen jetzt kommen. Und so hart es klingen mag: Manchmal muss man einfach eine Richtung vorgeben und sagen “Das machen wir jetzt so“. Und wenn der neue Prozess dann erst einmal läuft und funktioniert, finden es die meisten super und sind begeistert.

Prof. Dr. Machholz: “Das ist wohl wahr. Wenn wir nun in Richtung Globalisierung schauen: Du hatest bereits erwähnt, dass Firmen Ihre Güter und Disnstleistungen nicht mehr nur lokal, sondern seit Jahrzehnten in der ganzen Welt einkaufen. Dies erhöht natürlich die Komplexität der Lieferketten und hat zwangsläufig u.a. auch längere Genehmigungsverfahren zur Konsequenz, in denen teilweise stark unterschiedliche Regularien und Compliance-Aspekte mit berücksichtigt werden müssen. Inwieweit können uns digitale Tools hier unterstützen, indem sie Prozesse z.B. transparenter und schneller machen?”

Dr. Piepel: “Ein Beispiel aus der Globalisierung des Einkaufs: Viele Einkäufer kennen sich beispielsweise nicht mit dem vietnamesischen Lieferantenmarkt aus. Waren vermutlich auch noch nie in Vietnam und wissen daher auch gar nicht, welche potenziellen Lieferanten es dort gibt. Die digitalen Tools, die es heute gibt, können den Einkäufern jedoch viele Daten und Informationen über die potenziellen Lieferanten erzählen: Haben Sie ISO-Zertifikate vorliegen, Umweltschutz-Zertifikate, wie sieht es aus in Sachen Kinderarbeit? All diese Infos sind plötzlich zentral und digital vorhanden. Ich kann mit den heutigen Softwarelösungen ganze Lieferketten verfolgen und genau sehen, wo sich mein Container befindet. Dank der Digitalisierung kann man nahezu alle Prozesse relativ leicht im und außerhalb des Unternehmens verfolgen. Sie hat dazu geführt, dass komplexe Lieferketten über Kontinente hinweg möglich und sogar vergleichsweise einfach geworden sind.”

Prof. Dr. Machholz: “Ich denke, es ist ganz wesentlich, was du gesagt hast: Wir benötigen hier Echtzeitdaten. Denken wir nur einmal an das Containerschiff Ever Given, dass im vergangenen Jahr im Suezkanal querstand und so globale Lieferketten für mehrere Tage blockiert hat. Da muss ich als Unternehmen natürlich sofort wissen, ob meine Lieferanten oder meine Lieferkette betroffen ist und falls ja, welche Kundenaufträge ggf. nicht oder nur verspätet ausgeliefert werden können, um entsprechende Abstellmaßnahmen treffen zu können.

Uli, nach dem Blick in die Vergangenheit, lass uns jetzt bitte gemeinsam in unsere berühmte Kristallkugel schauen: Was sind deiner Meinung nach zukünftig wesentliche Veränderungen im Einkaufsbereich? Und wie können diese die Beschaffung vorantreiben?”

Dr. Piepel: “Es gibt eine Vielzahl zukünftiger Veränderungen, die ich sehe. Zum einen wird der Durchdringungsgrad des Einkaufs mit Digitallösungen substanziell größer werden. Bedeutet: Wer als Einkaufsleiter nicht digitalisiert, wird irgendwann zwangsläufig wegrationalisiert. „Digitize or Die“. Denn der Einkauf hat einen extrem hohen Einfluss auf die Rentabilität eines Unternehmens. Auch wenn manche CEOs den Einkauf immer noch als eine Servicefunktion sehen. 

Vor allem braucht man aber in den kommenden Jahren eine andere Art von Einkäufern. Wir brauchen beispielsweise Daten-Analysten, die Daten ermitteln, aufbereiten und Erkenntnisse daraus gewinnen. Der Einkauf braucht zudem Experten, die sich mit dem Thema Digitalisierung auskennen und global analysieren, was auf dem Markt an Lösungen angeboten wird und die besten Lösungen auch relativ schnell einführen können.

Die Einkaufssoftware wird sich zudem substanziell weiterentwickeln. Stichwort Künstliche Intelligenz. Diese wird immer mehr genutzt werden, um die Einkäufer bei der Vielzahl der Daten, die sie auswerten müssen, zu unterstützen.

Ich bin der festen Überzeugung, dass wir in den nächsten Jahren eine stark veränderte Einkaufswelt erleben werden. Ich bin froh, dass da eine Generation von Einkäufern folgt, die digital affin ist, die mit den Tools und Systemen aufwächst und diese auch mit Begeisterung annimmt. Die womöglich sogar eine Einkaufswelt ohne digitale Tools und Systeme für unvorstellbar und zugleich als Arbeitsplatz für unattraktiv hält. Ich bin mir sicher: Der Einkauf wird substanziell weiter an Bedeutung, Innovationskraft und Wertschätzung gewinnen, wenn er digital aufgestellt ist, mutig ist und exzellente Mitarbeiter einstellt.“

Betrachtet man den Wandel, der sich in den letzten 40 Jahren im Einkauf und der Beschaffung vollzogen hat, stellt sich die Frage: Wo führt das alles hin? Eines ist klar:  Digitalisierung, Automatisierung und künstliche Intelligenz sind nicht mehr wegzudenken und werden den Wandel maßgeblich weiter vorantreiben und bestimmen. Und das zu Recht: Helfen digitalisierte und automatisierte Services wie die von Amazon Business doch dabei, die Beschaffungsprozesse in Unternehmen effizienter zu gestalten, den Einkauf zu vereinfachen und damit Zeit und Geld zu sparen. Eine elektronische Steuerung von Bestellungen kann zudem für mehr Transparenz sorgen. So können Sie sich auf die strategischen Projekte im Einkauf, Ihre Mitarbeiter:innen und das Wachstum Ihres Unternehmens konzentrieren.

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